Wir wollten wissen, was sind die Vorteile und Herausforderungen von Mieterstrom und welche Schlüsselrolle kommt Quartierstrom im Rahmen der Energiewende zu. Ebenso: Wie hat es inexogy in den letzten Jahren geschafft, zum führenden Anbieter für Mieterstromdienstleistungen zu werden.
inexogy hat bereits mehr als 300 Mieterstrom-Projekte umgesetzt und sich damit als führender Smart Metering Anbieter und Dienstleister im Bereich „Quartierstrom“ etabliert. Welche Rolle wird aus Eurer Sicht Mieterstrom in der künftigen Energieversorgung Deutschlands spielen?
Lukas Bistry: Mieterstrom führt in der Regel zu günstigem, nachhaltigem Strom, der direkt vor Ort produziert und verbraucht wird. Einer der entscheidenden Vorteile ist, dass die Netze entlastet werden, weil der Strom nicht über längere Entfernungen transportiert werden muss. Dadurch spart der Anlagenbetreiber die Netzentgelte und der Kunde profitiert von günstigeren Tarifen. Im Rahmen der Energiewende kommt dem Thema Mieterstrom daher eine riesige Bedeutung zu.
Michael Grüner: Im Vertrieb haben wir aktuell eine sehr hohe Nachfrage nach der Umsetzung von Mieterstromprojekten. Schließlich haben wir mittlerweile mehr als 300 Projekte umgesetzt. Bei uns fragen Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften und sogar Privatpersonen an. So kann die dezentrale Strom-Energiewende, die ja bereits in Einfamilienhäusern zu wesentlichen CO2 -Einsparungen geführt hat, auch im Mehrfamilienhäuser-Bereich Einzug halten – insbesondere beim Einbeziehen moderner Elektromobilitätskonzepte. Bereits realisierte Projekte mit über 200 Mietparteien zeigen, wie Mieterstrom zur Standardlösung in Mehrfamilienhäusern werden kann.
Die ersten Mieterstromprojekte starteten im Jahr 2013. Wie sah die Landschaft für Mieterstrom-Umsetzung damals aus und wie haben eure Projekte geholfen, diese zu verbessern?
Lukas Bistry: Die ersten Mieterstromprojekte liefen mehr als holprig. Gerade in einem stark regulierten Umfeld wie dem Energiemarkt sind neue Konzepte immer mit einer besonderen Herausforderung verbunden. Hier mussten wir konsequent am Ball bleiben und reichlich Überzeugungsarbeit leisten. Dies ist inexogy hervorragend gelungen. Inzwischen gibt es dadurch kaum eine Ecke in Deutschland, in der noch kein Mieterstromprojekt von uns realisiert wurde. Die Erfahrung zeigt eindeutig: Mit jedem Projekt wird es einfacher.
Michael Grüner: Auch für unsere ersten Mieterstromkunden war es Neuland. Gemeinsam haben wir die ersten Projekte entwickelt und umgesetzt – natürlich war da die eine oder andere Stolperfalle dabei. Das ist für alle Beteiligten ein normaler Prozess, man lernt aus den Fehlern und bestenfalls vermeidet man sie beim nächsten Projekt. Die hohe Anzahl unserer “Wiederholungstäter” zeigt, dass unser Konzept mittlerweile ausgereift und skalierbar ist – 300 umgesetzte Projekte bundesweit sprechen für sich.
Auch die von inexogy speziell für das Produkt Mieterstrom entwickelten IT-Lösungen, zum Beispiel unsere Mieterverwaltungs- und Abrechungssysteme, bei dem der Anlagenbetreiber stets einen Überblick über die gesamte Anlage hat, tragen zu dem Erfolg des Produktes bei.
Michael, du bist ständig mit Partnern und Kunden im Gespräch, die ein Mieterstromprojekt umsetzen wollen. Wo siehst du die großen Vorteile, die mit Mieterstrom erreicht werden können?
Michael Grüner: Die Gesetzgebung gibt Rahmenbedingungen vor, die einzuhalten bzw. umzusetzen sind. In Neubauten oder bei energetischen Sanierungen von Bestandsanlagen sind Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäude festgeschrieben. Wenn man eine PV-Anlage und/oder ein BHKW in ein Gebäude integriert, liegt es nahe, den vor Ort produzierten Strom an die Bewohner des Hauses direkt zu verkaufen.
Obwohl es für den Anlagenbetreiber mit einem nicht zu vernachlässigenden Aufwand verbunden ist, rechnen sich Mieterstromprojekte für alle Beteiligten. Der Mieter erhält einen günstigen Strombezugspreis und kann seinen Strompreis je nach Vertragsmodell optimieren. Der Anlagenbetreiber erhält von den Mietern für den im Gebäude produzierten Strom eine höhere Vergütung als bei einer Direkteinspeisung ins Netz und, wenn er die vom Gesetz geforderten Auflagen erfüllt, bekommt er zusätzlich eine Zulage. Letztlich steigert das die Attraktivität seiner Immobilie.
Das ganze Thema spricht sich bei den Stadtwerken immer mehr herum, wir bekommen viele Anfragen von Neukunden, die sich auf bereits umgesetzte Projekte beziehen. Auch das zeigt – wir sind hier auf einem sehr guten Weg!
Lukas, bei 300 Mieterstrom-Projekten war bestimmt auch mal das ein oder andere Objekt dabei, das mit ungewöhnlichen Anforderungen daher kam. Könnt ihr euch an Beispiele erinnern, wo ihr ganz neue Lösungen suchen musstet?
Lukas Bistry: Da wir uns von Anfang an immer für Mieterstrom mit nur einer Sammelschiene ausgesprochen haben – dadurch entfällt ein Zählerwechsel wenn mal ein Stromkunde aus der Anlage herausfällt –, mussten wir an vielen Orten neue Konzepte etablieren. Wenn zur Kundenanlage etwa mehrere Erzeugungseinheiten, Batterien und Ladestationen zählen, stellt dies unterschiedliche Anforderung – ganz besonders an die Messtechnik.
Da aber gerade dies eine unserer Kernkompetenzen ist, konnten wir auch solchen Anforderungen bislang immer erfolgreich begegnen. Besonders in Erinnerung ist mir hier eine sehr kleine Kundenanlage in Süddeutschland geblieben: Bei dieser ist eine Kombination aus BHKW, PV-Anlage und Batterie zum Einsatz gekommen. Wir wollten aufgrund der hohen Kosten auf RLM-Zähler verzichten. Das Resultat waren wochenlange Diskussionen mit dem Netzbetreiber über Formeln zur Berechnung der verschiedenen, abrechnungsrelevanten Größen. Doch am Ende konnten wir dank unserer modernen Zählertechnik eine passende Lösung finden.
Trotz des gestiegenen Interesses ist ein Mieterstromobjekt immer noch keine Alltäglichkeit, gerade auch, wie ihr schon betont habt, in der Kommunikation zwischen Netzbetreibern, Mietern, Eigentümern usw. Wo seht Ihr hier immer noch die größten Herausforderungen?
Lukas Bistry: Die Anforderungen, die an alle Beteiligten im Bereich Energieversorgung gestellt werden, sind ziemlich hoch. Es gibt kaum einen einheitlichen Prozess auf lokaler Ebene. Daher müssen je nach Region unterschiedliche Prozesse eingehalten werden. Das führt schon bei der Installation einer einfachen PV-Anlage manchmal zu Problemen. Bei einer Mieterstromanlage können die Schwierigkeiten noch größer sein.
Michael Grüner: Da wir in Deutschland um die 900 Netzbetreiber haben und diese in ihrem jeweiligen Netzgebiet auch hoheitlich unterwegs sind, ist die Kommunikation mit dem einen oder anderen Netzbetreiber nicht immer einfach. Gerade die kleineren Netzbetreiber wissen oft immer noch nicht, was ein Mieterstromprojekt ist und wie es umgesetzt werden soll/muss und letztlich auch funktionieren kann. Dies erschwert auch die Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Potentielle Kunden werden so verunsichert – hier tun Aufklärung und Schulung Not!
Eine überfällige Überarbeitung des Mieterstromgesetzes kommt im Herbst dieses Jahres: Was muss eurer Meinung nach geändert werden, damit Mieterstrom zu einer alltäglichen Form der Energieversorgung wird?
Lukas Bistry: Die für Herbst zu erwartenden Änderungen des Mieterstromgesetzes werden voraussichtlich nur in Stichpunkten etwas an der übergeordneten Problematik im Umfeld von Kundenanlagen in Deutschland ändern. Die Situation, sobald es um das Thema Mieterstrom geht, ist immer noch gekennzeichnet von unnötiger Bürokratie, nicht definierten Standards und teils schwammigen Gesetzen sowie deren unterschiedlicher Interpretation durch die Beteiligten. Das ist symptomatisch für die großen Hemmnisse, die den schnellen und diskriminierungsfreien Ausbau von Mieterstromprojekten verhindern. Um die Umsetzung von Mieterstrom-Kundenanlagen zu vereinfachen und somit den Ausbau von dezentralen und effizienten bzw. erneuerbaren Energien zu beschleunigen, müssen die Prozesse bundesweit verbindlich definiert werden, ohne dabei jedoch unnötig bürokratischer zu werden.
Michael Grüner: Wir leben hier in Deutschland leider in einem sehr bürokratischen Umfeld. Das gilt auch für Mieterstromprojekte. Ich würde mir wünschen, dass wir bundesweit einheitliche Standards zum Thema Messkonzepte bekommen, an die sich dann alle Verteilnetzbetreiber zu halten haben. Das würde die Projektierung eines Mieterstromobjektes und die Abstimmung mit den Netzbetreibern vereinfachen und beschleunigen. Auch die vielen bürokratischen Hürden, die einem Anlagenbetreiber im Moment das Leben schwer machen und viel Zeit in Anspruch nehmen, sollten beseitigt werden.
Mieterstrommodelle können ein zentraler Bestandteil der Energiewende werden, dazu müssen sie aber einfacher und schneller umzusetzen und die gesetzlichen Vorgaben klar definiert sein.