Der Entwurf zur EnWG-Novelle sieht die verpflichtende Einführung dynamischer Tarife vor. Presseberichten zufolge befindet sich der Entwurf gerade in der Ressortabstimmung der Ministerien, im Februar könnte dann das Bundeskabinett und im März der Bundestag sich damit befassen.
Der Vorschlag kommt dabei nicht sehr überraschend, denn er folgt dem Beschluss des Bundesrates vom 3. Juli 2020. Darin hieß es, „der Großteil der deutschen Haushalte profitiert aus derzeitiger Sicht nur begrenzt vom Smart Meter Rollout. Um die vorgesehenen Mehrwerte zu erreichen, ist die Einführung dynamischer, insbesondere auch netzorientierter Tarife, unabdingbar, damit die Endverbraucher durch eine wirkungsvolle Anreizwirkung über die Preisgestaltung systemoptimierend mitwirken und profitieren können.“
Nun sollen diese Empfehlungen in ein gesetzliches Regelwerk übersetzt werden – dessen finale Verabschiedung sehr wahrscheinlich ist. „Lieferanten haben“, lautet der vorliegende Entwurf , „soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, für Letztverbraucher von Elektrizität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs setzt.“ Und weiter: „Lieferanten haben daneben für Haushaltskunden mindestens einen Tarif anzubieten, für den die Datenaufzeichnung und -übermittlung auf die Mitteilung der innerhalb eines bestimmten Zeitraums verbrauchten Gesamtstrommenge begrenzt bleibt.“
In der Praxis würde die Norm einer Verpflichtung gleichkommen, variable Stromtarife anzubieten. Denn, sollten diese nicht technisch machbar oder wirtschaftlich zumutbar sein, werden Stromversorger, die zum 31. Dezember eines Jahres über 200 000 Letztverbraucher haben, im Folgejahr dazu gezwungen, „den Abschluss eines Stromliefervertrages mit dynamischen Stromtarifen für Letztverbraucher anzubieten, die über ein intelligentes Messsystem im Sinne des Messstellenbetriebsgesetzes verfügen.“
Hochlauf der Elektromobilität wird die Nachfrage steigen lassen
Der Gesetzentwurf ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Einerseits wird in der Branche darauf hingewiesen, dass bereits vorhandene variable Tarife wenig nachgefragt werden und dass die starren Anteile des Strompreises einen echten Einfluss des Verbrauchers auf die Stromkosten verhindert. Andererseits bewegt sich schon heute der Strommarkt in eine andere Richtung: Neben der Energietransparenz sind variable Tarife der wichtigste Anreiz für die Anschaffung eines Smart Meters, und darauf haben einige unabhängige Anbieter – etwa aWATTar oder Tibber – Ihren Erfolg aufgebaut. Auch der Hochlauf der Elektromobilität wird nicht zuletzt den Trend weiter verfestigen.
Bei inexogy bestätigen unsere Erfahrungen der letzten Jahre als Smart-Metering-Vorreiter im Privatkundenbereich diese Entwicklung hin zur Durchsetzung variabler Tarife. Die Akzeptanz von Smart Metern steigt proportional mit den Mehrwerten, die in der Gesamtheit geboten werden können; seien es variable Tarife, Fernablesungen, intelligente Einspeisung oder zukünftige verteilnetz- sowie kundenseitige Steuerungen.
Technische Voraussetzungen sind gegeben
Aus technischer Sicht können variable Tarife schon heute problemlos mit den aktuellen Smart Meter Gateways abgebildet werden. Unterstützt sind diese von mehreren der Tarifanwandungsfälle (TAF), die das BSI für Smart Meter Gateways bereits vorsieht: Der TAF 2 (zeitvariable Tarife) macht die Übermittlung von Messwerten in unterschiedlichen Zeiträumen – wie etwa in einem Hoch- und Niedertarif – möglich; zudem gewährleistet TAF 7 eine Zählerstandsgangmessung im 15 Minuten-Takt.
Der Vielfalt und die Gestaltungsmöglichkeiten variabler Tarife dürfte künftig sogar zunehmen – hoffentlich zugunsten der Endkunden. Denn TAF3 (Lastvariable Tarife), TAF4 (verbrauchsvariable Tarife) und TAF5 (Ereignisvariable Tarife) sollen dazu beitragen, dass variable Tarife zum Standard in der Energieversorgung werden. Dank intelligenter Messsysteme können somit starre, unflexible Abrechnungsmodelle bald der Vergangenheit angehören.